Eine bildende Kunst

Inspiriert von alten Meistern schafft der Maler Jansson Stegner geheimnisvolle, magische Porträts in einem ganz eigenen, subversiven Stil

Man kann Jansson Stegners Bilder nicht mit den Gemälden der Künstler des 20. Jahrhunderts wie Balthus, Alice Neel oder dem spanischen Renaissance-Pionier El Greco verwechseln. Stegners opulente Porträts mächtiger Frauen und graziler Männer enthalten zu viele zeitgenössische Elemente, surreale Formen, Umkehrungen klassischer Geschlechterrollen und moderne Kleidung. Aber man sieht deutlich, dass dies Werke sind, die die oben genannten Künstler malen würden, wenn sie heute leben würden: meisterhafte Porträts, die ihre Motive zu vollem Leben erwecken, unendlich einprägsam und ein wenig beunruhigend.

„Die Künstler, die mir am meisten am Herzen liegen, sind in der Regel schon vor meiner Geburt gestorben“, sagt Stegner bei einem Telefonat von seinem Garagenstudio in Santa Barbara aus, wohin er vor etwa einem Jahr von New York aus umgezogen ist. Er nennt außerdem Otto Dix und Egon Schiele als Einflüsse – und wenn man die Werke dieser Maler neben Stegners betrachtet, kann man die Sinnverwandtschaft durchaus erkennen.

„Als ich jünger war, fühlte ich mich von Professoren und anderen Studenten unter Druck gesetzt, die Vergangenheit zu verwerfen und mich auf etwas Radikaleres zu konzentrieren“, sagt Stegner. „Letztendlich gehört mein Herz aber einer bestimmten Art von Malerei, die nunmal oft mit der Vergangenheit verbunden ist. Ich möchte einfach an diese Tradition anknüpfen, sie aber auch für die heutige Zeit relevant machen, und zwar auf eine Weise, die mein Leben und meine Interessen widerspiegelt.“

Das erklärt, warum die Personen in Stegners Porträts – geheimnisvoll und überaus einnehmend – so aussehen, wie sie aussehen: langgliedrige Dandys, die sich genüsslich in Anzügen räkeln, oder schöne junge Frauen mit üppigen Muskeln, die unter ihren Trikots hervorblitzen. In einem Gemälde zielt eine Frau im Schottenrock mit Pfeil und Bogen auf ein Ziel außerhalb des Bildes (Archer, 2020). Auf einem anderen sitzt eine Frau mit rabenschwarzem Haar und einem T-Shirt der University of Michigan Spartans im Schneidersitz auf dem Boden und starrt dem Betrachter direkt ins Gesicht (Spartan, 2020). Die Gliedmaßen beider Frauen offenbaren eine surreal anmutende Muskulatur mit kräftigen, an den Donnergott Thor erinnernden Bizeps und Beinen. Ihre Gesichter sind verschlossen und geheimnisvoll. .

Der in Los Angeles lebende Kunstschriftsteller und Romanautor Arty Nelson verfolgt Stegners Arbeit seit 2018 (als der Galerist Nino Mier eine Ausstellung seiner Werke zusammenstellte) aufmerksam. „Seine Werke verströmen ein Mona-Lisa-Lächeln auf eine Art, die immer etwas kryptisches, verschleiertes hat – man weiß nie genau, was in den Personen in seinen Bildern vorgeht“, sagt Nelson, der die Einleitung für den Katalog schreiben wird, der Stegners Ausstellung Ende 2021 in der Nino Mier Gallery begleiten wird.

<em>Fireplace</em>, 2018
Fireplace, 2018

Die beunruhigende Qualität des Mienenspiels der Porträtierten ist von Stegner beabsichtigt. Er möchte den Betrachter in eine emotionale Verstrickung mit dem Bild verwickeln. „Ich will nicht, dass die Figuren wie leere Schaufensterpuppen wirken“, erklärt er.

Für Stegner ist es ebenso wichtig, wie seine Sujets die Erwartungen in den Bildern unterwandern. Während der Olympischen Spiele 2008 fühlte sich Stegner von einem Volleyballspiel der Frauen in den Bann gezogen. Da waren diese Frauen, viele von ihnen größer als 1,80 m, stark und imposant. „Sie schmetterten den Ball mit einer unglaublichen Athletik und großem Kampfgeist“, erinnert er sich. „Und dann wurden Nahaufnahmen von den Gesichtern der Sportlerinnen gezeigt, und sie sahen aus wie das Mädchen von nebenan, mit ganz typisch weiblichen Gesichtern. Ich wusste sofort: Das ist etwas, das ich auf der Leinwand erforschen möchte.“

<em>Cyrille and Thibaut</em>, 2015; <em>Archer</em>, 2020; <em>Dirk</em>, 2016
Cyrille and Thibaut, 2015; Archer, 2020; Dirk, 2016

Und auch die Männer in Stegners Gemälden stellen Geschlechterrollen und Macht in Frage. In den frühen 2010er-Jahren begann Stegner eine Reihe von Auftragsarbeiten über wohlhabende Männer Europas und stellte sie auf weniger traditionell maskuline Weise dar – mit hageren Gesichtern, schlanken Körpern und schmaler Taille, in mondänen Settings und eleganten Ensembles – selbst dann, wenn sie jagdbereit mit Gewehr im Bild erscheinen. „Ich war schon immer fasziniert von männlichen und weiblichen Idealfiguren“, erklärt Stegner. „Es schien mir eine interessante Idee, diese beiden Ideale zu verschmelzen und zu sehen, was dabei herauskommt.“

Stegner wuchs in Minneapolis auf und verschlang Science-Fiction- und Fantasy-Comics wie 2000 AD und Conan der Barbar – der Körper des letztgenannten Helden hat große Ähnlichkeit mit den muskelbepackten Athletinnen in seinen Werken. „Comics sind voll von seltsamen und merkwürdigen Verzerrungen der menschlichen Gestalt, verschiedenen Körperformen und allen möglichen verrückten Science-Fiction-Sachen, daher bin ich auch an dieser Art von Seltsamkeit interessiert“, sagt Stegner.

<em>The Foxhunter</em>, 2013
The Foxhunter, 2013

Und so zeichnete Stegner während seiner gesamten Jugend, was ihn schließlich zum Kunststudium an der University of Wisconsin bewog. Nach seinem Abschluss versuchte er in den späten 90er-Jahren, sich als Maler im Mittwesten der USA durchzuschlagen, merkte aber bald, dass es ihn nach New York zog. Er fasste den Plan, ein MFA-Programm an der University of Albany zu absolvieren, um Anfang der 2000er-Jahre nach NYC zu ziehen. In New York erlebte seine Karriere einige Höhen und Tiefen. Der Sammler Charles Saatchi wurde auf ihn aufmerksam und kaufte 2013 mehrere Werke, und er hatte eine Handvoll Einzelausstellungen in verschiedenen Galerien, darunter gleich mehrere in der Brüsseler Galerie Sorry We're Closed. Aber erst als Nino Mier in Los Angeles ihn als Künstler aufnahm und nach einer daraus resultierenden Ausstellung bei Almine Rech in New York erlangte er seinen heutigen Bekanntheitsgrad.

Zur gleichen Zeit zog Stegner mit seiner Frau und seinen beiden Kindern nach Santa Barbara. Und diese neue Umgebung hat sich auch in die Hintergründe seiner Gemälde eingeschlichen. „Da ich jetzt in Kalifornien lebe und so nah an der wunderschönen Natur bin, kann ich deutlich sehen, dass diese visuelle Komponente in meine Arbeit einfließt“, sagt er und beschreibt den Entstehungsprozess eines Werks, bei dem er Fotos eines Models macht – das er oft auf Craigslist fand –, bis sich beide auf eine Pose einigen, die bei Stegner Emotionen hervorruft.

„Es ist äußerst selten, dass man jemanden findet, der so malt wie die alten Meister“, sagt Mier. „[Stegner] nimmt sich mit seinen Gemälden viel Zeit. Er könnte genauso gut vor 300 Jahren geboren worden sein. Die Qualität der Oberfläche, die Wahl der Farben, die Verwendung des Firnis darüber – Es ist, als würde man mit einem wahren Meisterwerk leben.“

Ein Meisterwerk mit einer gesunden Dosis an übernatürlicher Seltsamkeit, die es schwer macht, den Blick abzuwenden. „Diese Seltsamkeit, die man nicht genau zuordnen kann, ist auf jeden Fall gewollt“, erklärt Stegner. „Ich habe das Gefühl, dass das Leben eine Mischung aus Normalität und Seltsamkeit ist, und ich mag es, Bilder zu malen, die den Betrachter ein wenig daran erinnern. Ich mag es einfach, die Leute ihren normalen Erwartungen zu entreißen.“

Maxwell Williams ist ein Schriftsteller und Parfümeur aus Los Angeles. Er hat unter anderem für L’Officiel, Vogue und Condé Nast Traveler geschrieben.
  • BILDER MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DER NINO MIER GALLERY